Oktober 2011

Unsere Reise nach La Paz und

allmählicher Alltag im Centro

 

Um 03.00 morgens beginnt unsere Reise nach Cochabamba in der eiskalten Flotta. Voller Überraschung stellen wir fest, dass nachts oben auf dem Pass Schnee liegt. Zum ersten Mal nehmen wir den längeren, aber „sichereren“ Weg. Hier verändert sich recht schnell die Definition von „sicher“, denn trotzdem ist de Weg stellenweise nur ein paar Zentimeter breiter als die Flotta selbst. Die Natur war wieder einmal sehr beeindruckend.

Sonnenaufgang auf dem schneebedeckten 4500m hohen Pass

Nach 6,5 schunkelnden Stunden Fahrt erreichen wir den Busterminal in Quillacollo und erwischen sofort einen Anschlussbus nach La Paz. Für umgerechnet 4€ erwartet uns ein riesiger Bus mit Sitzen so groß wie Fernsehsessel – traumhaft einfaches Reisen hier =)

Innerhalb von 7 Stunden erreichen wir die Hauptstadt und sind überwältigt von dem ersten Blick von El Alto aus in den Kessel von La Paz. Die Stadt wird umrandet oder vielmehr gebildet von einem roten, tiefen, ganz steil abfallendem Kessel, in dem sich so viele kleine Häuser befinden, dass man gar nicht alles beschreiben kann. Soetwas hatte ich bis dato wirklich noch nie gesehen.

Blick auf die Stadt von El Alto aus, leider nur vom Bus aus fotografiert..

La Paz bei Nacht vom Ausblickspunkt „Quilli Quilli“ aus. Dort, wo die Lichter aufhören, geht es steil die Felswand  nach oben

 

Relativ schnell und kompliziert finden wir ein super Hostel, ziehen noch ein wenig durch die Stadt und fallen aber relativ schnell ins Bett.

In den nächsten Tagen haben wir allerhand fürs Visum zu erledigen. Bestimmte Passfotos, ein spanischer Lebenslauf und andere Sachen fallen den lieben Menschen auf der Botschaft plötzlich ein. Insgesamt dauert es bis Donnerstag, den 29.09. bis wir alles zusammenhaben und unsere Pässe mit vollständigen Anträgen auf der Botschaft zurücklassen. Die übrige Zeit haben wir jedoch in La Paz recht prächtig genutzt!

Streetart in La Paz

 

Da David aus Bamberg noch eine andere Freiwillige kennt, haben wir super schnell viele deutsche Freiwillige kennengelernt, die uns die besten Ecken der Stadt zeigen konnten und uns auch das Nachtleben erfolgreich nah gebracht haben. Das Feiern nach den ersten Wochen Dorfleben war schon sehr erfrischend und wohltuend! Auch in so einem Hostel lernt man schnell super Leute kennen..

Gegen das Essen im Centro in Independencia ist wirklich nichts einzuwenden, doch über kulinarische Highlights wie Sushi, Mexikanisch und Indisch haben wir uns ebenfalls gefreut wie Schneekönige. Für mich persönlich war ein guter Kaffee das Beste, denn hier gibt es überall nur Instantkaffee und das macht dauerhaft doch jeden Kaffeeliebhaber irgendwann traurig!

 

Desweiteren haben wir uns noch den Markt in El Alto angesehen. El Alto ist im Vergleich zu La Paz eine unglaublich arme und noch sehr indigene Stadt, die oberhalb des Stadtkessels liegt. Auf diesem Markt gibt es wirklich alles.

Über Klamotten, die von  Altkleidersammlungen aus Nordamerika/Europa stammen und dann dort verkauft werden, Kühlschränke, Betonmischer, Hühner, Türen, Kabel und Autos kann man wirklich alles finden.Von uns wurde gegen jede Prophezeiung der Reiseführer zum Glück niemand beklaut – yeah.

Getümmel in El Alto mit Blick in den Talkessel von La Paz

 

Am 30. September geht es nach einer recht kurzen letzten Nacht mit dem Bus abends zurück nach Cochabamba (ab jetzt abgekürzt mit „CBBA“!), wo wir um ca halb 2 nachts ankommen. Die Gegend des Hauptterminals kommt uns ein wenig schäbig und heruntergekommen vor, doch wir denken uns nichts dabei und machen uns auf die Suche nach einem Hostel. Im Eingangsbereich eines Hotels steht beißender Rauch in der Luft, worauf wir hustend die Flucht ergreifen. Die Straßen sind leer und schmutzig, bis auf drei an Klebstoff schnüffelnden Jungs begegnen wir niemanden. Letztendlich finden wir einen Schlafplatz, in dem Hostel, das an das seltsam riechende Hotel angrenzt. Unsere Frage, was da vorhin los war, wird ungefähr so beantwortet: „Die Polizei kommt ab und zu vorbei und schmeißt Tränengas, da es hier viel Kriminalität gibt.“ – Aha. Na, gut soweit.

Trotzdem gehen wir nochmal raus und suchen für David, unseren niemals Satten, noch ein paar lecker Fritten, bevor wir uns in unsere ekelerregenden Betten kuscheln.

Beim Durchblättern des Reiseführers am nächsten Morgen lesen wir witzigerweise, dass die Gegend um den Busterminal mit Abstand die schlechteste und gefährlichste Gegend der Stadt ist, man auf keinen Fall nach 23.00 mehr auf die Straße sollte und teilweise die Busse nicht vor Sonnenaufgang die Türen öffnen, um die Leute aussteigen zu lassen.

Gut, dass wir das danach lesen 😉

Wir verbringen noch einen Tag in CBBA und treffen in Cadeca nochmal auf Miriam und Kathi, die ihre Rundreise beendet haben und sich auf ihre Rückkehr nach Deutschland vorbereiten. Welch freudige Überraschung!
Darum wird der letzte gemeinsame Abend noch einmal ausgiebig gefeiert, wenn auch in einem sehr seltsamen Club namens „Devil’s“. Nach morgendlichem gemeinsamen Buñuello -frühstück trennen sich dann wirklich unsere Wege.

Don Enóc holt uns mit dem Jeep ab und die erste Reise endet mit dem stundenlangen Heimweg durchs Nichts. Ich nehme diesmal hinten auf der Ladefläche neben den Rucksäcken platz und habe ein viel besseren Blick über die ganze Situation. Das macht richtig Spaß da hinten.

David und ich bei einer kurzen Pause in unseren Bergen

 

Bei unserer ersten Rückkehr ins Dorf kommt es uns noch einmal schrecklich dorfig vor. Nach einer Stadt mit Taxen, Kaffee, Sushi und Clubs muss man sich doch wieder umstellen.

Wir lernen Elisa und Agnes kennen, zwei weitere deutsche Freiwillige, die in Independencia im Centro Culturál arbeiten. Da sie ihre Arbeit meistens in Cochabamba vorbereiten und dort noch einen festen Wohnsitz haben, sind sie leider nicht so oft da. Aber angenehm ist ihre Gesellschaft in jedem Fall! Die beiden haben mit ihrem Visum auch ewig zu kämpfen und sind daher relativ bald wieder abgereist.

Wir verbringen die Zeit viel draußen in der Natur. Die Wasserfälle sind wir noch zweimal viel weiter hochgeklettert. Teilweise fragen wir uns beim Abstieg, wie wir eigentlich die glitschigen und glatten Felswände hochgekommen sind – doch runter kommen wir, im Zweifelsfall mit einem kleinen Bad..

David und ich arbeiten weiterhin im Kindergarten. Ich nun in der älteren Gruppe mit Profesora Maria Theresa, er in der jüngeren.

Da es aufs Ende des Schuljahres zugeht müssen die Kleinen ganz schön viel lernen. Inzwischen sind wir im Alphabet beim „M“, das sie sowohl in klein und groß, wie in Block- und Schreibschrift lernen müssen. Dass sie das nachhaltig lernen, kann ich jedoch nicht bestätigen. Einige können schon ihre Namen schreiben und sind damit den anderen weit voraus. Leider bin ich nur für drei Wochen in jeder Gruppe eingeteilt. Das ist schade und beeinträchtigt auch die Arbeit mit den Kindern, denn sobald die Eingewöhnungsphase abgeschlossen ist, hört man auch schon wieder auf.

Der Abschied am 28.09. von den Kleinen macht mich trauriger, als ich es erwartet hatte. Wahnsinn wie schnell diese ersten 6 Wochen im Kindergarten vergangen sind! Aber wir werden sie wohl noch ab und zu besuchen, wenn Zeit bleibt und ich bin schon ganz gespannt die Großen ab Februar in der Schule zu sehen.

Ab jetzt arbeite ich hauptsächlich mit den Internen des Internats. Sprich: Ich beaufsichtige die „Estudios“, also Schularbeiten und die „Labores“, die Handarbeiten. Auf Dauer fast etwas eintönig, da man die Mädchen nicht wirklich kennenlernt, weil man eben für Ruhe sorgen muss. Doch das ist jetzt eben Hauptaufgabe bis zu den Ferien, die am 30.11. beginnen.

Schuljahrsende bringt auch die großen „Exposiciones“ des Colegio mit sich. Es ist wirklich beeindruckend zu sehen, was die dort alles Praktisches lernen. Betten, Regale und sogar Gasherde lernen sie zu schweißen, Möbel zu zimmern und aus Holz können sie richtig schöne Bilder schnitzen und Gitarren bauen. Die Mädchen hingegen machen wirklich alles aus Stoff oder Wolle. Jedes einzelne Kleidungsstück ist selbstgemacht, riesige bestickte Tischdecken und sogar Spitze machen sie selbst. Was eine Arbeit!

Bei solchen Gelegenheiten merkt man, dass sie wirklich die praktischen Dinge für den Alltag lernen, da es hier eben so etwas gar nicht oder wenn nur für viel zu viel Geld zu kaufen gibt.

Ebenfalls zum Ende des Jahres finden hier die großen Sportaufführungen statt, die sich über 3 Tage erstrecken.

Am ersten Tag werden nach Klassen geordnet Menschenpyramiden gebildet, Trampolingesprungen (am Ende sogar durch einen Feuerring – oho!) und rhythmische Sportgymnastik aufgeführt.

Am nächsten Abend wird es richtig interessant. Es werden die alten traditionellen indigenen Volkstänze aufgeführt mit atemberaubenden Kostümen und ansteckenden Rhythmen. Für mich endet der Abend aufgrund einer richtig hartnäckigen Erkältung und Fieber leider etwas früher.

In Julias Blogg müssten davon etliche Fotos auftauchen, weil ich meine Kamera leider nicht dabei hatte 😉

 

Was passiert sonst noch?

Das Wetter. Immer erwähnenswert. Bis jetzt hat mich dieser Ort klimatisch wirklich nicht überzeugt. Der Winter geht ganz allmählich zu Ende, so dass es nachts nicht mehr ganz so kalt wird, aber gleichzeitig beginnt der Vorregen der Regenzeit. Von kalt zu nass als Vorbereitung auf nässer. Also ich weiß ja nicht… Der dauernde Regen drückt auch ein wenig auf unsere Stimmung, die bis jetzt stets lustig und fröhlich war. Aber das wird sich alles ergeben und wenn die Klamotten auch mal wieder trocken sind, sieht schon alles viel besser aus.

Wahrscheinlich lässt sich dieses kleine Tief auch mit unserer Abgeschnittenheit erklären. Unser Internetstick funktioniert, wenn überhaupt, nervenaufreibend langsam und Dinge wie Skype (oder Blogghochladen) sind einfach nicht möglich. Das ominöse Internetcafé im Dorf ist bis jetzt auch keine Lösung. Der Besitzer war erst ewig weg und jetzt funktionierts nicht. Bei dem Satz „Internet no hay. A lo mejor en 2012.“ (= „Internet gibt’s nicht. Vielleicht wieder im Jahr 2012.“) ist die Verzweiflung wohl bei uns allen in die Höhe geschossen.

Nicht mit seinen Freunden kommunizieren können macht einem schon zu schaffen..

Eine weitere interessante Erfahrung war eine Woche ohne Schwester Verena, die geschäftlich nach CBBA gefahren ist.

Zu Beginn waren wir erschüttert, wie anders alle ist. Ausschließlich Gespräche auf Quechua am Esstisch, auch anderes Essen und alles läuft vielleicht nicht ganz so pünktlich und organisiert. Beispielsweise sagen uns zwei der wichtigsten Mitarbeiterinnen kurz bescheid, dass sie jetzt auch mal wegfahren oder andere kommen eben mal nicht zum Dienst. So schnell kann fast das ganze Personal verschwinden. Rückblickend muss ich jedoch sagen, dass unser erster überwiegend negativer Eindruck des Ganzen ungerechtfertigt war. Die Dinge mögen hier ohne die Schwester anders, aber nicht schlechter sein. Den etwas bolivianischeren Lebensstil zu sehen war gut und in der Zeit habe ich die ersten ernsthaften und tiefergehenden Gespräche mit den Mitarbeiterinnen hier geführt. Vielleicht fühlen sie sich befreiter, wenn die Schwester nicht da ist. Das wiederum ist aber eigentlich überhaupt nicht notwendig, da sie von ihr ganz sicher nicht am Reden und Leben gehindert werden. Auf jeden Fall war das Verhalten der Bolivianer in Abwesenheit der Schwester eine nachdenkenswerte Beobachtung.

Es wird auch notwendig sein sich mit dieser Thematik weiterhin auseinanderzusetzen, da die Übergabe des Centros aus deutscher Hand an einen anderen Orden ansteht.

Schwester Verena kehrt aus der Stadt mit zwei Schwestern aus dem Jesus-Maria-Orden zurück, die sich das Leben im Centro ansehen und einige Abende lang mit der Schwester diskutieren und arbeiten. Die beiden waren sehr freundlich, offen und angenehm. Jedoch werden sie wohl nicht selbst nach Independencia kommen. Ab Februar wird eine Schwester, im Mai eine weitere im Internat mitleben und mit Schwester Verena die Übergabe Schritt für Schritt vorbereiten und die Aufgabenfelder erfassen. Im Dezember 2012 soll dann noch eine weitere Schwester dazukommen, um das Führungstrio zu vervollständigen. Dies ist bis jetzt der Plan, mal sehen wie es kommen wird.
Wir für unseren Teil sind jedoch ganz froh, dass uns Schwester Verena für die volle Dauer unseres Einsatzes als Bezugsperson erhalten bleibt.

Das Ende des Oktobers ist geprägt von der Euphorie und Vorbereitungen für „Todos Santos“, unser Allerheiligenfest. Im Gegensatz zu Deutschland wird das in Bolivien über mehrere Tage gefeiert und die Organisation läuft ab dem 27. Oktober auf Hochtouren.

So werden wir teil einer wahren Weihnachtsbäckerei und man darf wieder mal über die Bolivianer staunen, was sie so alles zaubern.

 

Ein ausführlicher Bericht über die Festtage folgt im Monat November!

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Hallo Corina, (Sibylles Mutter)
    Deine Mutter gab uns den Hinweis auf deinen Blog,
    ich finde Deinen Bericht sehr interessant. Ich war 1983 auf einer Südamerikarundreise in La Paz
    Viele liebe Grüße – halte durch auch ohne Filterkaffee