November 2011

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November 2011 –

Die Festlichkeiten von Todos Santos, ein abenteuerlicher

Wochenendausflug und die Pronunción

Der November beginnt mit den bereits angekündigten Feiertagen von „Todos Santos“, im Deutschen „Allerheiligen“.

Die Feierlichkeiten hier weisen jedoch einige Unterschiede auf und es ist deutlich zu erkennen, dass die von den Kolonialisten hergebrachten christlichen Feste eine Vermischung mit alten indigenen Bräuchen und Riten erfahren haben.

Daher eine kurze Zusammenfassung des hiesigen Glaubens:

Am 1. November kommen die Seelen der Verstorbenen („las almas“) aus dem Totenreich oder dem Weg dorthin in die Häuser der Angehörigen zurück. Um diese zu stärken werden die Lieblingsspeisen und Getränke derer serviert. Hierbei gilt man als „frisch verstorben“, wenn der Tod nicht länger als 3 Jahre zurück liegt und wird daher reichhaltiger und großzügiger versorgt, als schon länger Verstorbene. Bereits am folgenden Tag, dem eigentlichem Feiertag 02. November, verlassen die Seelen wieder ihre Angehörigen und kehren zurück. Dieser Fesstag endet in einer ausgelassenen Fiesta, da man sich freut, dass der Tote dem Himmel wieder ein Stück näher ist.

Am Abend des ersten und am Nachmittag des zweiten Novembers ziehen die Angehörigen auf den Friedhof und beten für den Verstorbenen an dem Gräbern. Hier spielen jetzt bestimmte traditionelle Gebäcke eine wichtige Rolle. Es gibt „t’anta wawas“, Puppen aus Brot zur symbolhaften Darstellung des Toten, sowie Leitern und Pferde/Llamas, die ihm den Aufstieg in den Himmel erleichtern sollen. In den Anden werden die Gräber, die eher „Gebetsaltären“ ähneln mit Sträußen bestehend aus weißen Lilien, Gladiolen und Hortentien geschmückt. Vom  03. bis zum 05. November schaukeln sich die Angehörigen von der Trauer frei und „begleiten ihren Verwandten noch ein Stück in den Himmel“. Die sogenannte „Culumpio“ findet danach noch jeden weiteren Sonntag im Monat November statt.

Soweit die Theorie, jetzt zu unserer Erfahrung:

Gegen Ende Oktober werden wir, wie bereits angekündigt, mit dem Backen der Plätzchen und Brote konfrontiert. Es erinnert wirklich an die große Backzeit im Advent. Mir persönlich gefällt der Anblick der Brotpuppen im Ofen nicht so, da sie wie kleine Kinder aussehen..

Die Llamas, Sternchen, Boote und sonstige Spielereien sind aber sehr nett anzusehen.

Viele fleißige Hände..

t’anta wawas

Die Himmelsleitern

Julia macht das Ganze sichtlich Spaß

Generell geht es in diesen Tagen im Centro hauptsächlich um den im Juni verstorbenen Padre Manfredo. Für ihn wird in einem Nebensaal ein Gebetstisch errichtet, den sehr viele Dorfbewohner besuchen um für ihn zu beten. Wir unterhalten uns mit vielen Leuten, die ihn teilweise sehr lange kannten, über ihn und sind wiedereinmal von ihm beeindruckt, auch ohne ihn gekannt zu haben.

Der Gebetstisch für Padre Manfredo Rauh

und ein echter Enzian wurden aufgebaut

Eine „Belohnungsschale“

Am Abend des ersten Novembers legen wir mit Schwester Verena Blumen und Kerzen auf diversen Gräbern nieder um die sich entweder niemand sonst kümmert oder/und besonderer Bezug besteht. Wir ziehen über den Friedhof, der aufgrund seiner Beschaffenheit aus Nischen- und Bodengräbern, den deutlichen Charakter einer kleinen „Totenstadt“ aufweist.

Die von uns besuchten Gräber. Die drei dort begrabenen Professoren starben bei einem Absturz der Flotta auf der Fahrt von CBBA nach Independencia

Die Angehörigen sitzen auf den Gräbern und bitten Vorbeikommende für die Person zu beten. Wir beten abwechselnd das Vaterunser auf Deutsch oder in Castellano. Als Dankeschön erhält man Trinken. Davon gießt man den ersten und den letzten Schluck auf das Grab „para la alma“. Das Getränk ist entweder Chicha oder traditionell „Leche de tigre“ (= Tigermilch) und besteht aus hochprozentigem Alkohol, Milch und Zucker. So sieht dann auch der restliche Abend aus: Von Grab zu Grab, beten und trinken. Spätestens als ich einen Mann auf ein Grab urinieren sehe, kommt mir das Ganze ein wenig respektlos vor. Allein der Gedanke „Bete und werde mit Alkohol belohnt“ erscheint mir fragwürdig. Es findet noch eine Messe auf dem Friedhof statt. Aus einem rostigen Blechkübel holen David und ich vorher in zwei Plastikeimern Wasser. Der Padre, der die Messe auf einem Grab stehend abhält, bespritzt abschließend jeden Anwesenden mit jenem „gesegnetem Wasser“ auf dem Kopf und schließlich jedes einzelne Grab des Friedhofs. Verwirrt von diesem etwas anderem Verhalten auf einem Friedhof gehen wir nach Hause.

 

Am 02.11. begeben wir uns gegen 14.00 Uhr wieder dorthin und da kann ich es wirklich nicht mehr fassen. Der Anblick des Friedhof erinnert mich an eine kleine Zeltstadt auf Rock im Park oder einem vergleichbaren Festival. Überall sind Planen aufgespannt, die Menschen sitzen trinkend auf dem Boden und feiern als gäb es kein Morgen mehr. Gleiches Spiel: Von Grab zu Grab, beten (für Menschen, die wir überhaupt nicht kennen, was aber vollkommen egal ist) und als Belohnung gibt es diesmal Alkohol und Plätzchen. Die tagelang vorbereiteten Gebäcke werden an die Betenden verteilt. Für die Kinder heißt das: Bete so schnell und so viel du kannst, damit du möglichst viel zu naschen abstaubst. Und so rennen sie mit ihrem vollgestopfen Plastiktüten über den Friedhof, natürlich zu den am prachtvollsten geschmückten Gräbern, weil dort wahrscheinlich sehr viel zu holen ist. Halloween gibts also doch hier..
Über diesen ganz anderen Umgang mit dem Tod, dem Friedhof uns dem ganzen Fest mache ich mir zwar viele Gedanken, finde jedoch kein eindeutiges Urteil. Einerseits begegnen sie der Problematik mit einer viel positiveren Haltung und Lebensfreude, andererseits kommt mir diese ausgelassene Feier auf einem Friedhof trotzallem unangemessen vor. Wahrscheinlich sind wir auch noch nicht lange genug hier, um so etwas zu verstehen..

Die oben beschriebene Himmelsschaukel erleben wir jedoch nicht mehr in Independencia, da wir uns auf die Reise machen.

 

Diesmal führt uns unser Weg nach Santa Cruz, um andere Freiwillige vom BDKJ Wuerzburg zu besuchen. Die Drei – Eva, Lewin und Daniel – arbeiten in einer Behindertenstätte in Cotoca, ca 17km vor Santa Cruz de la Sierra. Zufälligerweise hatten die für genau dieses Wochenende einen Trip nach Samaipata, ein kleines Dorf mit präinkaischer Zeremoniestätte „El Fuerte“ und dem angrenzendem Nationalpark Amboró, geplant. Also geht es erst wieder um 03.00 nachts mit der Flotta nach CBBA und dann nochmal 10 Stunden weiter nach Santa Cruz. Zum ersten Mal sehen wir hinter Cocha etwas anderes als Berge: Dschungel. Soweit man das natürlich vom Bus aus beurteilen kann.. Wir sehen Bananenwälder, grün überwucherte Berge, ewige Flussbetten, ganz viele bunte Vögel und spüren endlich mal wieder richtige Hitze!

Gegen 22.00 abends werden wir von den zwei Jungs am Terminal abgeholt und dann gehts mit zwei Taxen (die fahren da wie Buslinien) nach Cotoca, dann das letzte Stück mit dem Motorradtaxi in ihr zu Hause. Aus dem Weggehen wird an dem Abend aufgrund der Ausgehzeiten in der Stätte nichts mehr, aber wir haben einen sehr gemütlich schönen Abend und es tut richtig gut mal wieder bekannte Gesichter zu sehen und sich auszutauschen.

Am nächsten Morgen besichtigen wir zuerst die Arbeit vor Ort. Die Behindertenstätte ist in Pavillons unterteilt je nach Grad der Behinderungen. Diese ganz andere Arbeit zu sehen und ein wenig zu erleben ist sehr interessant und macht Spaß auf mehr Erfahrungen in diesem Sektor.Doch um Genaueres über das dortige Schaffen der drei zu lesen, bitte einfach die folgenden Blogs bewundern:

Beste Urlaubscrew! Von links nach rechts: Daniel, David, Lewin, Julia, Corinna und Eva

Noch schnell Mittagessen und auf gehts nach Santa Cruz ins Zentrum. Der erste Kaffee =)

Dann noch kurz ein paar Briefe nach Hause schicken und weiter gehts mit einem Taxi ins 120km entfernte Samaipata. Der  Name des Ortes bedeutet übrigens aus dem Quechua übersetzt „die Anhöhe, um zu verweilen“, daher haben sich einige reiche Cruceños (so werden die Bewohner Santa Cruzs genannt) niedergelassen und inzwischen ist es eine kleine Touristenhochburg. Wir nehmen das erstbeste Hostel und gehen dann Pizzaessen. Den Tag beenden wir mit einem witzigen Abend in der örtlichen Karaokebar, wobei uns am meisten die falsch geschriebenen englischen Songtitel unterhalten. Meine Favoriten sind die allseits bekannten Hits „Leading on a jetplane“ und „Kiffin‘ me softly“. Aber da wir, bis auf drei schweigende Gestalten an der Bar, die einzigen Gäste sind, lässt es sich doch recht ausgelassen und hemmungslos falsch ins Mikrofon trällern oder auch groelen..

Julia und Eva

 

Nach einem richtig leckeren Frühstück in einem französischen Café mit einem gutem Kaffee, , treffen wir auf unseren Guía für den Nationalpark Amboró. Leicht peinlich berührt stellen wir fest, dass es sich um eine von den drei schweigenden Gestalten an der Bar des Vorabends handelt…

Also machen wir uns mit Freddy, so heißt der gute Mann, in einem Taxi auf zum Eingang des Nationalparks. Der „Eingang des Parks“ besteht aus 2 Holzbrettern, die ein einfaches Gatter über einen kleinen Pfad bilden. Schon geht die Kletterei los. In unserer 7 stündigen Wanderung durchqueren wir hauptsächlich Nebelwald, klettern zu einem kleinen Wasserfall herauf bis wir schließlich auf einer Bergkuppe auf der Höhe von 2500m einen sensationellen Ausblick haben. Dieser NP ist besonders bekannt für seinen Reichtum an verschiedenen Farnen. Insgesamt sind es mehrere hundert, doch unsere Laienaugen erkennen nicht wirklich die Unterschiede. Viele Tiere sehen wir aufgrund eines nicht unerheblichen Lärmpegels der Gruppe beim Durchstreifen der Natur leider nicht..

Ab durch den Nebelwald

Eindeutige Entscheidungsschwierigkeiten

Unser lieber David

 

"Wasserfall" und viele viele Farne

„Wasserfall“ und viele viele Farne

Gegen 17.00 erreichen wir wieder den Ausgang des Parks und machen uns an dem Abstieg in das ca 2,5 Stunden entfernte Samaipata. Nach zehn Minuten treffen wir am Straßenrand auf einen parkenden  Laster, dessen Fahrer meint, uns in einer halben Stunde mit nach unten nehmen zu können. Also gehen wir noch ein kurzes Stück weiter bergab und warten an einem gemütlichen Ort unter schon leicht bewölktem Himmel auf den Laster. Innerhalb von einer Stunde ist der Himmel rabenschwarz zugezogen und wir warten immer noch auf unsere Mitfahrgelegenheit. Die ersten Blitze und Donner erhellen den Himmel und wir finden Unterschlupf in einer kleinen Hütte.

 

Ziemlich traurig

Ziemlich traurig

 

Mittlerweile wird es auch noch richtig kalt. Daniel rennt zurück zum Laster und kommt nach einer gefühlten Ewigkeit zurück mit schlechten Nachrichten. Die Laster wird noch repariert, sie haben jetzt neues Werkzeug mit dem es dann vielleicht in einer halben Stunde funktioniert. Wie beruhigend, dass unser erfahrener und vertrauenswürdiger Guía auch noch nie in so einer Situation war. Das Gewitter donnert los, doch wir beschließen nach einer weiteren halben Stunde nicht mehr länger zu warten, sondern den Fußmarsch nach Hause anzutreten. Um die Sache abzukürzen verzichten wir auf die Straße und Wege und rennen im Dunkeln und Regen den Berg hoch. Super Sache: Regen, Dunkel, kein Weg, Gewitter und man ist oben auf einem Berg, kurze Hose, Tshirt. Julia bleibt stehen. Schicht im Schacht mit Asthma und bergauf rennen. Inzwischen regnet es wie aus Eimern. Doch aus dem Nichts sehen wir plötzlich Lichter in der Schwärze auftauchen – endlich taucht dieser verdammte Laster auf! Unpraktischerweise fährt dieser aber auf der Straße, die wir verlassen haben. Wild bricht Freddy die Böschung hinunter und wir alle hinterher. Wie durch ein Wunder kommen wir alle unverletzt unten an und der Fahrer ist so freundlich und wartet. Die darauf folgende Heimfahrt auf der Ladefläche des offenen Fahrzeugs wird mehr als nass und schlammig. Da die Straße unglaublich schlecht (dafür extrem befahren?!) ist, kommen wir die meiste Zeit nur im schlitternd und rutschend Schritttempo voran. Nach einer kleinen Ewigkeit erreichen wir letztendlich doch unser Hostel. An dem Abend belohnen wir uns mit einem ausgiebigem Essen und feiern mit Freddy unsere erfolgreiche Rückkehr. Doch wer denkt, dass wars mit Abenteuern an dem Wochenende, muss enttäuscht werden.

Am nächsten Morgen ist Julia richtig krank. Hohes Fieber und diverse andere Ekeleien ihres Körpers machen es für uns unmöglich die insgesamt 12 Stunden Busfahrt nach Cochabamba und dann noch 7 weitere nach Independencia auf uns zu nehmen. Also erfolgt der erste Anruf bei der Schwester mit dem Ergebnis, dass wir erst reisen sollen, wenn das Fieber unten ist.

 

Diese Situation verschafft uns genügend Zeit, um noch „El Fuerte“ zu besichtigen. El Fuerte ist eine prähispanische Zeremoniestätte der Inka genau am Scheitelpunkt von Bergen, Amazonasgebiet und dem Chaco. Insgesamt umfasst es eine Fläche von über 40 Hektar mit verschiedenen Häuserruinen und den zentralen großen Felsen.

Wir erreichen El Fuerte indem wir abwechselnd trampen und wandern. Am Eingang nehmen wir uns einen Guía, der in der Lage ist mit einem Stock uns die gesamte Geschichte der Inka und Alles, was davor und danach war, mit einfachen Symbolen und Zahlen verständlich mit einem Stock in den Boden zu zeichnen.

El Fuerte - Heilige Zeremoniestaette

El Fuerte – Heilige Zeremoniestaette

Durch die sichtbaren Rillen floss das Blut der geopferten Tiere

Durch die sichtbaren Rillen floss das Blut der geopferten Tiere

 

 

 

 

 

 

 

 

Blick von oben auf Samaipata

Blick von oben auf Samaipata

 

 

Unser guía mit seinem Zauberstab

Unser guía mit seinem Zauberstab

 

 

 

Der Fels von unten

Der Fels von unten

 

 

 

 

 

 

 

Die Besten (:

Die Besten (:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Danach kehren wir zurück ins Hostel, um uns und die immer noch kranke, schlafende Julia in ein Taxi nach Santa Cruz zu verfrachten. So folgt die nächste Überraschung: „Taxi no hay.“ Ernsthaftes Problem vor allem für die anderen, die am Montag definitiv arbeiten müssen. Daniel unser Eifriger organisiert kurzerhand den Lieferwagen eines peruanischen Pärchens des Dorfes. Für 300 BS leihen sie uns ihr Auto. Wir wären nach Santa Cruz gefahren und Daniel hätte es am nächsten Nachmitag zurück gebracht. Überragender Plan meiner Ansicht nach, doch dann entschließen sich die beiden spontan dazu selbst nach Santa Cruz zu fahren. So nehmen wir alle gemütlich und gut versorgt hinten Platz (unsere Patienten kriegt sogar eine Matratze zum gemütlich moggeln!) und ab gehts. Auf der Fahrt freuen wir uns allmählich, dass wir doch nicht selbst fahren müssen. Die Straße ist im Dunkeln schwer zu fahren und der Bus bleibt ca 5 mal stehen und wir müssen ihn anschieben. Kurz vor Santa Cruz geht es gar nicht mehr weiter, doch mit einigen hilfsbereiten Taxifahrern wird die Batterie wieder aufgeladen und wir erreichen doch noch Los Pozos.
An dieser Stelle ein riesen Dank an wohl das lässigste Hippiepärchen aller Zeiten!

In einem, der wohl widerlichsten Hostels quartieren wir uns ein. David und ich begeben uns noch auf die Suche nach was Essbaren, doch wir sind zu spät. Die sonst mit Hühnchenverkäufern übersäte Straße ist menschenleer, nur Berge von Müll sind geblieben. Am nächsten Morgen geht es Julia immer noch nicht besser, also ziehen David und ich los um ein schöneres Zimmer in der Nähe des Terminals zu finden. Nach einem wilden Hin- und Her in diversen Micros finden wir endlich den richtigen Terminal (es gibt nämlich noch einen anderen..) und „Residencial Brian“ überzeugt uns. Nach dem Verfrachten von Gepäck und Julia in die neue Bleibe fahren wir nach Cotoca um die anderen in Arbeitsaktion zu bewundern. Diesmal helfen wir sogar selbst richtig mit beim Waschen und Füttern der Kinder. Eine wirklich bewegende Erfahrung und ich bin angenehm positiv von meiner eigenen Reaktion auf diese Arbeit überrascht. Danach fahren wieder nach Santa Cruz.

Wir machen uns einen schönen Abend mit Sushi und dann gehen wir ein meinen bolivianischen Namenstag feiern (schließlich braucht man ja einen Grund..). Das klappt auch ganz gut und so beschließen Eva und Lewin um 04.00 nachts noch zwei Stunden bei uns im Hostel zu schlafen bis die ersten Micros nach Cotoca wieder fahren. Es kostet etwas an Überzeugungskraft den sichtlich verschlafenen Portie davon zu überzeugen, dass es vollkommen in Ordnung ist, wenn wir zu viert in unserem Doppelzimmer schlafen, aber es klappt mit dem Versprechen, dass wir um 07.00 alle verschwunden sind. So fallend wir friedlich in unsere Betten..

 

08. November 2011, 06.30 Uhr: Kurz vor unserem Wecker hämmert es an die Tür. Wir sind vollständig verwirrt, unausgeschlafen und nicht gerade schnell in unseren Reaktionen und Gedanken. Auf einen wütenden Hotelbesitzer gefasst schaffen wir es doch irgendwann die Tür zu öffnen. Ein Mann mit Strumpfmaske hält sein Gewehr begrüßend in den offenen Türrahmen. Begleitet wird er von etwa 7 Uniformierten, die unser Zimmer umstellt haben. Fassungslosigkeit und absolute Verwirrung machen sich breit. Unser freundlicher Besuch stellt sich als Vertreter von „Interpol“ vor und bittet uns unsere Pässe vorzulegen.

Selbstbewusst geben wir ihm unsere Kopien, da unsere Originale noch bei der Botschaft in La Paz sind und man die generell eher nicht überall mit sich hinnimmt. Doch das gefällt dem Leiter der ganze Truppe (ein kleiner, stämmiger Bolivianer mit aggressivem Schnauzer) leider überhaupt nicht. Für ihn ist die Sache mit der Botschaft auch kein Argument. Ehe wir uns versehen werden wir ernsthaft abgeführt. Aus dem Bett unter bewaffneter Beaufsichtigung aus dem Zimmer und dem Hostel. Julia kommt aus ihrem Zimmer auch dazu. Auf gar keinen Fall begreifen wir, was da passiert. Immerhin dürfen wir noch eine Flasche Wasser kaufen (das ist für lange Zeit die letzte). Die Interpolkarawane, aus  vier Jeeps bestehend, schlängelt sich unter der schon brennenden Sonne durch die Straßen und hält immer wieder vor einigen Hotels, wie dem unserem.

Wir warten wirklich lange und immer wieder werden ähnlich verstörte und fragwürdige Gestalten abgeführt und zu uns auf die Ladefläche verfrachtet. Um die Szenerie noch abstruser zu machen tauchen neben unserem Fahrzeug immer wieder Paparazis auf, die uns sowohl fotografieren, als auch filmen. Inzwischen ist Daniel, der am vorigen Abend früher nach Hause ist und somit aus dem ganzen Schlamassel war, informiert und erhält auch schon die Bestätigung von einer bolivianischen Bekannten, dass unsere Verhaftung im Fernsehen zu sehen ist. Welch ein erfolgreicher Morgen!

Ab diesem Zeitpunkt wird die Geschichte leider nicht mehr so spannend. Wir werden zuerst in das Interpol Hauptgebäude gebracht, wo wir ca 3 Stunden sitzen und warten. Unsere Vorstellung, dass nach einem kurzen Telefonat mit der deutschen Botschaft (wir geben sogar die Telefonnummer unserer Sachbearbeiterin weiter) alles in Ordnung ist, löst sich nach und nach auf. Desillusioniert und inzwischen merkbar mitgenommen von den Nachwirkungen des Vorabends werden wir wieder aus dem Gebäude hinausgeführt und auf die Fahrzeuge verteilt. Wir freuen uns, dass es vorbei ist und wir wieder zurück ins Hotel kommen. Fehlanzeige. Es geht ans andere Ende der Stadt zur Migración, wo wir unter strenger Bewachung der Interpolleute in einen separaten Flur geführt werden und wieder wartend auf dem Boden Platz nehmen. Eva, Julia und ich sind die ersten die aufgerufen und nach unten in ein kleines Büro gebracht werden. Wir warten weiter und erzählen unsere Geschichte zum 10.000sten mal und kriegen abschließend von dem überraschend jungen Sachbearbeiter einen Zettel in die Hand gedrückt, der besagt, dass wir uns innerhalb von 14 Tagen in der Migración in Cochabamba ausweisen müssen. Herzlichen Danke dafür. Mittlerweile ist es 13.00, wir sind alle fertig und die Jungs warten immer noch. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen fahren wir Mädels zurück in unser Hostel, um die Rucksäcke zu packen und an den Terminal zu bringen. Wir treffen uns wieder zum Mittagessen/Frühstück und finden einen Tisch mit unseren schlafenden Gefährten vor. Die „Reichenstraße“ von Santa Cruz überwältigt mich völlig. Man könnte wirklich denken, man sei in einer europäischen Großstadt gelandet und es ist ganz und gar nicht so urbolivianisch wie in CBBA. Fertig mit unserer Welt beschließen wir ins Kino zu gehen und noch etwas zu faulenzen, bis um 20.30 schließlich unser Nachtbus nach CBBA fährt. Nach dem Film führe ich wohl eins der bisher seltsamsten Telefonate: „Hallo Schwester Verena, hier ist die Corinna. Ich wollte Ihnen nur bescheid sagen, dass wir nochmal später kommen, weil wir heute früh von Interpol verhaftet wurden.“ Doch ihre Antwort, dass „man eben für genau solche Sachen in Bolivien sei“ bringt uns alle zum schmunzeln.

Vor dem Kinokomplex ist ein großes Schwimmbecken mit riesigen, aufblas- und begehbaren Wasserbällen aufgebaut, in dem wir uns noch einmal richtig austoben bevor ein wahnsinniges Wochenende dann doch einmal zu Ende geht. Auf der Nachtfahrt nach Cocha lass ich mir noch einmal durch den Kopf gehen, was innerhalb von vier Tagen alles passiert ist.. unfassbar!

Stets guter Laune auch nach so einem Tag!

Stets guter Laune auch nach so einem Tag!

Um 07.00 morgens erreichen wir die Stadt und langsam zehrt es an den Kräften, weil ich im Bus kaum geschlafen habe. Wie immer suchen wir Cadeca auf und rufen bei der Botschaft an. Die Frage, wo genau unsere Pässe seien, kann unsere angeblich kompetente Sachbearbeiterin nicht beantworten, „Vielleicht noch hier oder schon in Cochabamba, aber übermogen sind sie bestimmt weg. Ich geh mal suchen, obwohl ich nicht genau weiß wo..“. WAS?! Da fühlt man sich sicher, denn auf die Botschaft ist Verlass. Auf unsere Bitte hin uns eine Bestätigung, dass unser Visum in Bearbeitung ist, und beglaubigte Kopien unserer Pässe zu schicken, erhalten wir sogar per Fax etwas. Nämlich 20 schwarze Seiten Papier, deren Kopierqualität so schlecht ist, dass man unsere Gesichter nicht mal unterscheiden kann. Perfekt ausgerüstet mit diesen Unterlagen machen wir uns auf zur Migración. Wir treffen in einem schrecklich überfüllten Büro auf einen freundlichen Bearbeiter, der keinerlei Verständnis für unser Dokument von Interpol hat. Den Passkopien der Botschaft schenkt er nur ein müdes Lächeln. Nachdem er das Zertifikat der Botschaft kopiert hat, heftet er alles zusammen und legt ad acta. Nach 10 Minuten: „Listo. Eso es.“. Welch eine Aktion und Aufwand für absolut nichts.

Am Nachmittag erfahren wir aus der Zeitung „El Deber“, dass die Polizeiaktion in Santa Cruz sich hauptsächlich gegen illegale Einwanderer gerichtet hat und teilweise sogar erfolgreich war.

Hier der Zeitungsartikel, jedoch nicht mit Bild von unserem sondern vom Nachbarjeep!

Nach einigen Telefonaten mit der Botschaft kriegen wir schließlich raus, dass zumindest die Pässe von Julia und mir bald in der Stadt beim Honorarkonsulat abzuholen seien, doch Davids leider nicht, da die Passbilder auf mysteriöse Weise verschwunden sind.. Also noch ein Anruf bei der Schwester, dass wir auf unsere Dokumente warten.

Am nächsten Tag komme ich vor den anderen beim Honorarkonsulat an und gehe auf gut Glück einfach mal nach oben. Ich treffe auf eine korpulente Sachbearbeiterin mit einer witzigen Mischung aus Deutsch und Spanisch. Auf einer Liste in dem Papierchaos auf ihrem Schreibtisch findet sie tatsächlich unsere Namen. Sie fängt an wahllos verschiedene Briefumschläge zu öffnen und unsere Pässe zu suchen. Ich biete ihr meine Hilfe bei der Suche an, worauf sie einen ganzen Karton gefüllt mit deutschen Reisepässen vor mir auf den Tisch schüttet. Schließlich „müssen sie ja irgendwo sein..“. Meine Frage nach einem System oder einer Ordnung der Pässe (beispielsweise alphabetisch..?) wird mit einem entgeisterten Kopfschütteln beantwortet. Doch irgendwann finden wir tatsächlich die Pässe. Dass ich Julias einfach auch mitnehme ist überhaupt kein Problem..

Als wir am Freitag früh in der Flotta nach Independencia sitzen, können wir es selbst kaum glauben, dass wir wirklich alles so schnell in CBBA erledigt haben. In der Flotta treffen wir auf einen weiteren Deutschen, der das Centro besuchen will. Dominik, der ein Auslandssemester seines Theologiestudiums in Cochabamba absolviert, begleitet uns für das nächste Wochenende. Mit ihm, Elisa und Agnes (die mittlerweile auch mal wieder im Dorf sind) wandern wir ein wenig durch die nähere Umgebung und statten der Dorfkaraoke mal wieder einen mehr oder weniger erfolgreichen Besuch ab..

Der restliche November dreht sich vollständig um das Schuljahrsende. Am 02.12. beginnen die großen Sommerferien (ca bis Anfang Februar) und vorher stehen für die Kinder des Kindergartens und die fertigen Gymnasiasten eine „Pronunción“ an. Das ist so ähnlich wie in Deutschland die Abifeier, aber wirklich nur ähnlich..

In die Pronunción des Kindergartens sind wir fest integriert. Wir machen die Einladungen, Programmhefte, studieren mit den Kindern die Tänze und Gesänge ein und richten auch die Schule von José Miguel Lanza für den Abend her.

 

Die Mamis helfen fleissig mit

Die Mamis helfen fleissig mit

Die grosse "Buehne" der Pronunción

Die grosse „Buehne“ der Pronunción

 

 

 

 

Die lang erwartete Auffuehrung der "Bailazos"

Die lang erwartete Auffuehrung der „Bailazos“

 

Ein kleiner Clown

Ein kleiner Clown

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Klassische amerikanische Uniform und allgemeines Lachverbot auf Fotos

Klassische amerikanische Uniform und allgemeines Lachverbot auf Fotos

 

 

 

Die Veranstaltung wird von überraschend vielen besucht, es gibt ein paar wenige kurze Worte und sie klingt gegen 21.00 abends aus. Noch schnell aufgeräumt und das wars das mit dem Kindergarten für dieses Jahr. Etwas schade ist es schon..

 

Nur zwei Tage später wird das Ganze für den Abschluss des Colegios wiederholt. Im Grunde läuft es sehr ähnlich ab, wie in Deutschland. Es gibt mehrere (zu lange) Reden und dann werden die Schüler nach und nach aufgerufen und ihnen wird das Zeugnis auf der Bühne überreicht. Die besten erhalten besondere Auszeichnungen und Lob des Direktors oder von Schwester Verena.

Der Abend weist dann aber doch schon gravierende Unterschiede zu einer deutschen Abiturfeier auf. Die Hochschulabsolventen feiern nicht zusammen in einer Lokalität, sondern jeder feiert allein für sich bei und mit seiner Familie. Im ganzen Dorf wird in den Häusern und Höfen gegrillt und gefeiert. Sofort werden wir eingeladen und nehmen in einem Hof mit überraschend gigantischen Boxentürmen Platz, die eigentlich das komplette Dorf beschallen. Man verbringt den Abend indem man von Haus zu Haus zieht und jedem Abiturienten einzeln gratuliert. Die Hauptpersonen des Abends wirken nicht immer ganz glücklich. Vielleicht würden sie auch lieber mit ihren Freunden feiern, als still und brav neben Mama und Papa zu sitzen, um sich einen Abend lang die Hände schütteln zu lassen. Vielleicht verstehen auch nur wir nicht, dass das hier ein Familienfest ist, weil es bei uns eben nicht so ist..
David und mir fällt jedoch auf, dass es vom Fest her keinerlei Unterschied macht, ob man nun sein „Abitur“ oder den Kindergarten erfolgreich abgeschlossen hat und das finden wir schon etwas unfair..

Nach den Pronuncionen wird es richtig ruhig im Dorf. Die meisten Schüler fahren nach Hause – auch vor dem offiziellen Schulende, der „clausura“ – und manche verschwinden so plötzlich von der Bildfläche, dass sie nicht mal ihre Ergebnisse abwarten und somit ihre Chance auf die Nachprüfung versäumen. Die Nachprüfungen sind jedes Jahr möglich und man kann es in bis zu 3 Fächern noch einmal versuchen.

Dieser Abschluss des Schuljahrs ist so chaotisch, dass man es kaum glauben kann. Ein Lehrer fährt einfach weg, bevor er seine Noten abgegeben hat, der Nächste unterschreibt nichts und es fehlen plötzlich 20 Zeugnisse. Nebenbei müssen die Schüler im Zaum gehalten werden, dass sie nicht abreisen bevor sie nicht zu 100% das Jahr bestanden haben. Da ist wirklich bolivianische Organisation wie sie leibt und lebt zu bewundern gewesen..

Des Weiteren besuche ich noch alleine eine Clausura einer Landschule auf dem Campo. Mit der Direktorin der Nachmittagsschule und noch zwei weiteren Lehrkräften reise ich nach „Manzanani“, nur 45 Minuten von Independencia aus mit dem Jeep. In strömenden Regen erreichen wir das „Dorf“, das eher einer willkürlichen Ansammlung von vielleicht 10 Lehmhüttchen (nicht einmal mit Wellblech-, sondern noch mit Strohdach!) entspricht. Die Schule besteht aus einem Raum, in dem eine Lehrkraft gleichzeitig Kindergarten, 1. und 3. Klasse unterrichtet. Die 2. Klasse gibt es nicht, da es nur ein Mädchen dafür gäbe und die wartet dann eben noch ein Jahr auf die anderen.. Draußen im Regen wird selbstverständlich erstmal die Nationalhymne gesungen und dann noch einige gut eingeübte Lieder. Danach müssen die Kinder „vorarbeiten“. Sie kriegen Arbeitsblätter und müssen zeigen, was sie wie gut können. Allmählich versammeln sich die Eltern mit im Zimmer (somit ist das gesamte Dorf anwesend) und sehen zu. Darauf folgt ein „Vorlesen und -schreiben“ an der Tafel von jedem einzelnen Schüler. Auch dort gibt es eine Ausstellung und danach noch etwas zu essen. Nach über zwei Stunden warten in der Kälte auf unser Fahrzeug laufen wir dann doch im Regen nach Hause.

Bei gehisster Flagge gibts die Nationalhymne

Bei gehisster Flagge gibts die Nationalhymne

Die ganze Schule bestehend aus nur einem Raum

Die ganze Schule bestehend aus nur einem Raum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Festessen vor der Handarbeitsausstellung

Festessen vor der Handarbeitsausstellung

So geht der November im kinderleeren Internat zu ruhig zu Ende. Vormittags bin ich damit beschäftigt neue Schulbücher einzubinden, die Bücher im Centro zu sortieren und soweit wie möglich zu reparieren. Nachmittags haben wir alle die ganze Zeit abwechselnd „presente“, den Telefon- und Aufpassdienst.

Ursprünglich war es geplant, dass ich ab Anfang Dezember den Gesundheitsposten in Queraya für 3 Wochen besuche und dort arbeite. Jedoch ist die dortige Krankenschwester bis auf weiteres in die Stadt gereist ohne das Datum ihrer Rückkehr zu nennen. Und so sitze ich hier und warte darauf bis es los geht. Doch genau „dafür sind wir eben in Bolivien“, wie Schwester Verena zu sagen pflegt..[:en]

November 2011 –

Die Festlichkeiten von Todos Santos, ein abenteuerlicher

Wochenendausflug und die Pronunción

Der November beginnt mit den bereits angekündigten Feiertagen von „Todos Santos“, im Deutschen „Allerheiligen“.

Die Feierlichkeiten hier weisen jedoch einige Unterschiede auf und es ist deutlich zu erkennen, dass die von den Kolonialisten hergebrachten christlichen Feste eine Vermischung mit alten indigenen Bräuchen und Riten erfahren haben.

Daher eine kurze Zusammenfassung des hiesigen Glaubens:

Am 1. November kommen die Seelen der Verstorbenen („las almas“) aus dem Totenreich oder dem Weg dorthin in die Häuser der Angehörigen zurück. Um diese zu stärken werden die Lieblingsspeisen und Getränke derer serviert. Hierbei gilt man als „frisch verstorben“, wenn der Tod nicht länger als 3 Jahre zurück liegt und wird daher reichhaltiger und großzügiger versorgt, als schon länger Verstorbene. Bereits am folgenden Tag, dem eigentlichem Feiertag 02. November, verlassen die Seelen wieder ihre Angehörigen und kehren zurück. Dieser Fesstag endet in einer ausgelassenen Fiesta, da man sich freut, dass der Tote dem Himmel wieder ein Stück näher ist.

Am Abend des ersten und am Nachmittag des zweiten Novembers ziehen die Angehörigen auf den Friedhof und beten für den Verstorbenen an dem Gräbern. Hier spielen jetzt bestimmte traditionelle Gebäcke eine wichtige Rolle. Es gibt „t’anta wawas“, Puppen aus Brot zur symbolhaften Darstellung des Toten, sowie Leitern und Pferde/Llamas, die ihm den Aufstieg in den Himmel erleichtern sollen. In den Anden werden die Gräber, die eher „Gebetsaltären“ ähneln mit Sträußen bestehend aus weißen Lilien, Gladiolen und Hortentien geschmückt. Vom  03. bis zum 05. November schaukeln sich die Angehörigen von der Trauer frei und „begleiten ihren Verwandten noch ein Stück in den Himmel“. Die sogenannte „Culumpio“ findet danach noch jeden weiteren Sonntag im Monat November statt.

Soweit die Theorie, jetzt zu unserer Erfahrung:

Gegen Ende Oktober werden wir, wie bereits angekündigt, mit dem Backen der Plätzchen und Brote konfrontiert. Es erinnert wirklich an die große Backzeit im Advent. Mir persönlich gefällt der Anblick der Brotpuppen im Ofen nicht so, da sie wie kleine Kinder aussehen..

Die Llamas, Sternchen, Boote und sonstige Spielereien sind aber sehr nett anzusehen.

Viele fleißige Hände..

t'anta wawas

Die Himmelsleitern

Julia macht das Ganze sichtlich Spaß

Generell geht es in diesen Tagen im Centro hauptsächlich um den im Juni verstorbenen Padre Manfredo. Für ihn wird in einem Nebensaal ein Gebetstisch errichtet, den sehr viele Dorfbewohner besuchen um für ihn zu beten. Wir unterhalten uns mit vielen Leuten, die ihn teilweise sehr lange kannten, über ihn und sind wiedereinmal von ihm beeindruckt, auch ohne ihn gekannt zu haben.

Der Gebetstisch für Padre Manfredo Rauh

und ein echter Enzian wurden aufgebaut

Eine "Belohnungsschale"

Am Abend des ersten Novembers legen wir mit Schwester Verena Blumen und Kerzen auf diversen Gräbern nieder um die sich entweder niemand sonst kümmert oder/und besonderer Bezug besteht. Wir ziehen über den Friedhof, der aufgrund seiner Beschaffenheit aus Nischen- und Bodengräbern, den deutlichen Charakter einer kleinen „Totenstadt“ aufweist.

Die von uns besuchten Gräber. Die drei dort begrabenen Professoren starben bei einem Absturz der Flotta auf der Fahrt von CBBA nach Independencia

Die Angehörigen sitzen auf den Gräbern und bitten Vorbeikommende für die Person zu beten. Wir beten abwechselnd das Vaterunser auf Deutsch oder in Castellano. Als Dankeschön erhält man Trinken. Davon gießt man den ersten und den letzten Schluck auf das Grab „para la alma“. Das Getränk ist entweder Chicha oder traditionell „Leche de tigre“ (= Tigermilch) und besteht aus hochprozentigem Alkohol, Milch und Zucker. So sieht dann auch der restliche Abend aus: Von Grab zu Grab, beten und trinken. Spätestens als ich einen Mann auf ein Grab urinieren sehe, kommt mir das Ganze ein wenig respektlos vor. Allein der Gedanke „Bete und werde mit Alkohol belohnt“ erscheint mir fragwürdig. Es findet noch eine Messe auf dem Friedhof statt. Aus einem rostigen Blechkübel holen David und ich vorher in zwei Plastikeimern Wasser. Der Padre, der die Messe auf einem Grab stehend abhält, bespritzt abschließend jeden Anwesenden mit jenem „gesegnetem Wasser“ auf dem Kopf und schließlich jedes einzelne Grab des Friedhofs. Verwirrt von diesem etwas anderem Verhalten auf einem Friedhof gehen wir nach Hause.

 

Am 02.11. begeben wir uns gegen 14.00 Uhr wieder dorthin und da kann ich es wirklich nicht mehr fassen. Der Anblick des Friedhof erinnert mich an eine kleine Zeltstadt auf Rock im Park oder einem vergleichbaren Festival. Überall sind Planen aufgespannt, die Menschen sitzen trinkend auf dem Boden und feiern als gäb es kein Morgen mehr. Gleiches Spiel: Von Grab zu Grab, beten (für Menschen, die wir überhaupt nicht kennen, was aber vollkommen egal ist) und als Belohnung gibt es diesmal Alkohol und Plätzchen. Die tagelang vorbereiteten Gebäcke werden an die Betenden verteilt. Für die Kinder heißt das: Bete so schnell und so viel du kannst, damit du möglichst viel zu naschen abstaubst. Und so rennen sie mit ihrem vollgestopfen Plastiktüten über den Friedhof, natürlich zu den am prachtvollsten geschmückten Gräbern, weil dort wahrscheinlich sehr viel zu holen ist. Halloween gibts also doch hier..
Über diesen ganz anderen Umgang mit dem Tod, dem Friedhof uns dem ganzen Fest mache ich mir zwar viele Gedanken, finde jedoch kein eindeutiges Urteil. Einerseits begegnen sie der Problematik mit einer viel positiveren Haltung und Lebensfreude, andererseits kommt mir diese ausgelassene Feier auf einem Friedhof trotzallem unangemessen vor. Wahrscheinlich sind wir auch noch nicht lange genug hier, um so etwas zu verstehen..

Die oben beschriebene Himmelsschaukel erleben wir jedoch nicht mehr in Independencia, da wir uns auf die Reise machen.

 

Diesmal führt uns unser Weg nach Santa Cruz, um andere Freiwillige vom BDKJ Wuerzburg zu besuchen. Die Drei – Eva, Lewin und Daniel – arbeiten in einer Behindertenstätte in Cotoca, ca 17km vor Santa Cruz de la Sierra. Zufälligerweise hatten die für genau dieses Wochenende einen Trip nach Samaipata, ein kleines Dorf mit präinkaischer Zeremoniestätte „El Fuerte“ und dem angrenzendem Nationalpark Amboró, geplant. Also geht es erst wieder um 03.00 nachts mit der Flotta nach CBBA und dann nochmal 10 Stunden weiter nach Santa Cruz. Zum ersten Mal sehen wir hinter Cocha etwas anderes als Berge: Dschungel. Soweit man das natürlich vom Bus aus beurteilen kann.. Wir sehen Bananenwälder, grün überwucherte Berge, ewige Flussbetten, ganz viele bunte Vögel und spüren endlich mal wieder richtige Hitze!

Gegen 22.00 abends werden wir von den zwei Jungs am Terminal abgeholt und dann gehts mit zwei Taxen (die fahren da wie Buslinien) nach Cotoca, dann das letzte Stück mit dem Motorradtaxi in ihr zu Hause. Aus dem Weggehen wird an dem Abend aufgrund der Ausgehzeiten in der Stätte nichts mehr, aber wir haben einen sehr gemütlich schönen Abend und es tut richtig gut mal wieder bekannte Gesichter zu sehen und sich auszutauschen.

Am nächsten Morgen besichtigen wir zuerst die Arbeit vor Ort. Die Behindertenstätte ist in Pavillons unterteilt je nach Grad der Behinderungen. Diese ganz andere Arbeit zu sehen und ein wenig zu erleben ist sehr interessant und macht Spaß auf mehr Erfahrungen in diesem Sektor.Doch um Genaueres über das dortige Schaffen der drei zu lesen, bitte einfach die folgenden Blogs bewundern:

Beste Urlaubscrew! Von links nach rechts: Daniel, David, Lewin, Julia, Corinna und Eva

Noch schnell Mittagessen und auf gehts nach Santa Cruz ins Zentrum. Der erste Kaffee =)

Dann noch kurz ein paar Briefe nach Hause schicken und weiter gehts mit einem Taxi ins 120km entfernte Samaipata. Der  Name des Ortes bedeutet übrigens aus dem Quechua übersetzt „die Anhöhe, um zu verweilen“, daher haben sich einige reiche Cruceños (so werden die Bewohner Santa Cruzs genannt) niedergelassen und inzwischen ist es eine kleine Touristenhochburg. Wir nehmen das erstbeste Hostel und gehen dann Pizzaessen. Den Tag beenden wir mit einem witzigen Abend in der örtlichen Karaokebar, wobei uns am meisten die falsch geschriebenen englischen Songtitel unterhalten. Meine Favoriten sind die allseits bekannten Hits „Leading on a jetplane“ und „Kiffin‘ me softly“. Aber da wir, bis auf drei schweigende Gestalten an der Bar, die einzigen Gäste sind, lässt es sich doch recht ausgelassen und hemmungslos falsch ins Mikrofon trällern oder auch groelen..

Julia und Eva

 

Nach einem richtig leckeren Frühstück in einem französischen Café mit einem gutem Kaffee, , treffen wir auf unseren Guía für den Nationalpark Amboró. Leicht peinlich berührt stellen wir fest, dass es sich um eine von den drei schweigenden Gestalten an der Bar des Vorabends handelt…

Also machen wir uns mit Freddy, so heißt der gute Mann, in einem Taxi auf zum Eingang des Nationalparks. Der „Eingang des Parks“ besteht aus 2 Holzbrettern, die ein einfaches Gatter über einen kleinen Pfad bilden. Schon geht die Kletterei los. In unserer 7 stündigen Wanderung durchqueren wir hauptsächlich Nebelwald, klettern zu einem kleinen Wasserfall herauf bis wir schließlich auf einer Bergkuppe auf der Höhe von 2500m einen sensationellen Ausblick haben. Dieser NP ist besonders bekannt für seinen Reichtum an verschiedenen Farnen. Insgesamt sind es mehrere hundert, doch unsere Laienaugen erkennen nicht wirklich die Unterschiede. Viele Tiere sehen wir aufgrund eines nicht unerheblichen Lärmpegels der Gruppe beim Durchstreifen der Natur leider nicht..

Ab durch den Nebelwald

Eindeutige Entscheidungsschwierigkeiten

Unser lieber David

 

"Wasserfall" und viele viele Farne

"Wasserfall" und viele viele Farne

Gegen 17.00 erreichen wir wieder den Ausgang des Parks und machen uns an dem Abstieg in das ca 2,5 Stunden entfernte Samaipata. Nach zehn Minuten treffen wir am Straßenrand auf einen parkenden  Laster, dessen Fahrer meint, uns in einer halben Stunde mit nach unten nehmen zu können. Also gehen wir noch ein kurzes Stück weiter bergab und warten an einem gemütlichen Ort unter schon leicht bewölktem Himmel auf den Laster. Innerhalb von einer Stunde ist der Himmel rabenschwarz zugezogen und wir warten immer noch auf unsere Mitfahrgelegenheit. Die ersten Blitze und Donner erhellen den Himmel und wir finden Unterschlupf in einer kleinen Hütte.

 

Ziemlich traurig

Ziemlich traurig

 

Mittlerweile wird es auch noch richtig kalt. Daniel rennt zurück zum Laster und kommt nach einer gefühlten Ewigkeit zurück mit schlechten Nachrichten. Die Laster wird noch repariert, sie haben jetzt neues Werkzeug mit dem es dann vielleicht in einer halben Stunde funktioniert. Wie beruhigend, dass unser erfahrener und vertrauenswürdiger Guía auch noch nie in so einer Situation war. Das Gewitter donnert los, doch wir beschließen nach einer weiteren halben Stunde nicht mehr länger zu warten, sondern den Fußmarsch nach Hause anzutreten. Um die Sache abzukürzen verzichten wir auf die Straße und Wege und rennen im Dunkeln und Regen den Berg hoch. Super Sache: Regen, Dunkel, kein Weg, Gewitter und man ist oben auf einem Berg, kurze Hose, Tshirt. Julia bleibt stehen. Schicht im Schacht mit Asthma und bergauf rennen. Inzwischen regnet es wie aus Eimern. Doch aus dem Nichts sehen wir plötzlich Lichter in der Schwärze auftauchen – endlich taucht dieser verdammte Laster auf! Unpraktischerweise fährt dieser aber auf der Straße, die wir verlassen haben. Wild bricht Freddy die Böschung hinunter und wir alle hinterher. Wie durch ein Wunder kommen wir alle unverletzt unten an und der Fahrer ist so freundlich und wartet. Die darauf folgende Heimfahrt auf der Ladefläche des offenen Fahrzeugs wird mehr als nass und schlammig. Da die Straße unglaublich schlecht (dafür extrem befahren?!) ist, kommen wir die meiste Zeit nur im schlitternd und rutschend Schritttempo voran. Nach einer kleinen Ewigkeit erreichen wir letztendlich doch unser Hostel. An dem Abend belohnen wir uns mit einem ausgiebigem Essen und feiern mit Freddy unsere erfolgreiche Rückkehr. Doch wer denkt, dass wars mit Abenteuern an dem Wochenende, muss enttäuscht werden.

Am nächsten Morgen ist Julia richtig krank. Hohes Fieber und diverse andere Ekeleien ihres Körpers machen es für uns unmöglich die insgesamt 12 Stunden Busfahrt nach Cochabamba und dann noch 7 weitere nach Independencia auf uns zu nehmen. Also erfolgt der erste Anruf bei der Schwester mit dem Ergebnis, dass wir erst reisen sollen, wenn das Fieber unten ist.

 

Diese Situation verschafft uns genügend Zeit, um noch „El Fuerte“ zu besichtigen. El Fuerte ist eine prähispanische Zeremoniestätte der Inka genau am Scheitelpunkt von Bergen, Amazonasgebiet und dem Chaco. Insgesamt umfasst es eine Fläche von über 40 Hektar mit verschiedenen Häuserruinen und den zentralen großen Felsen.

Wir erreichen El Fuerte indem wir abwechselnd trampen und wandern. Am Eingang nehmen wir uns einen Guía, der in der Lage ist mit einem Stock uns die gesamte Geschichte der Inka und Alles, was davor und danach war, mit einfachen Symbolen und Zahlen verständlich mit einem Stock in den Boden zu zeichnen.

El Fuerte - Heilige Zeremoniestaette

El Fuerte - Heilige Zeremoniestaette

Durch die sichtbaren Rillen floss das Blut der geopferten Tiere

Durch die sichtbaren Rillen floss das Blut der geopferten Tiere

 

 

 

 

 

 

 

 

Blick von oben auf Samaipata

Blick von oben auf Samaipata

 

 

Unser guía mit seinem Zauberstab

Unser guía mit seinem Zauberstab

 

 

 

Der Fels von unten

Der Fels von unten

 

 

 

 

 

 

 

Die Besten (:

Die Besten (:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Danach kehren wir zurück ins Hostel, um uns und die immer noch kranke, schlafende Julia in ein Taxi nach Santa Cruz zu verfrachten. So folgt die nächste Überraschung: „Taxi no hay.“ Ernsthaftes Problem vor allem für die anderen, die am Montag definitiv arbeiten müssen. Daniel unser Eifriger organisiert kurzerhand den Lieferwagen eines peruanischen Pärchens des Dorfes. Für 300 BS leihen sie uns ihr Auto. Wir wären nach Santa Cruz gefahren und Daniel hätte es am nächsten Nachmitag zurück gebracht. Überragender Plan meiner Ansicht nach, doch dann entschließen sich die beiden spontan dazu selbst nach Santa Cruz zu fahren. So nehmen wir alle gemütlich und gut versorgt hinten Platz (unsere Patienten kriegt sogar eine Matratze zum gemütlich moggeln!) und ab gehts. Auf der Fahrt freuen wir uns allmählich, dass wir doch nicht selbst fahren müssen. Die Straße ist im Dunkeln schwer zu fahren und der Bus bleibt ca 5 mal stehen und wir müssen ihn anschieben. Kurz vor Santa Cruz geht es gar nicht mehr weiter, doch mit einigen hilfsbereiten Taxifahrern wird die Batterie wieder aufgeladen und wir erreichen doch noch Los Pozos.
An dieser Stelle ein riesen Dank an wohl das lässigste Hippiepärchen aller Zeiten!

In einem, der wohl widerlichsten Hostels quartieren wir uns ein. David und ich begeben uns noch auf die Suche nach was Essbaren, doch wir sind zu spät. Die sonst mit Hühnchenverkäufern übersäte Straße ist menschenleer, nur Berge von Müll sind geblieben. Am nächsten Morgen geht es Julia immer noch nicht besser, also ziehen David und ich los um ein schöneres Zimmer in der Nähe des Terminals zu finden. Nach einem wilden Hin- und Her in diversen Micros finden wir endlich den richtigen Terminal (es gibt nämlich noch einen anderen..) und „Residencial Brian“ überzeugt uns. Nach dem Verfrachten von Gepäck und Julia in die neue Bleibe fahren wir nach Cotoca um die anderen in Arbeitsaktion zu bewundern. Diesmal helfen wir sogar selbst richtig mit beim Waschen und Füttern der Kinder. Eine wirklich bewegende Erfahrung und ich bin angenehm positiv von meiner eigenen Reaktion auf diese Arbeit überrascht. Danach fahren wieder nach Santa Cruz.

Wir machen uns einen schönen Abend mit Sushi und dann gehen wir ein meinen bolivianischen Namenstag feiern (schließlich braucht man ja einen Grund..). Das klappt auch ganz gut und so beschließen Eva und Lewin um 04.00 nachts noch zwei Stunden bei uns im Hostel zu schlafen bis die ersten Micros nach Cotoca wieder fahren. Es kostet etwas an Überzeugungskraft den sichtlich verschlafenen Portie davon zu überzeugen, dass es vollkommen in Ordnung ist, wenn wir zu viert in unserem Doppelzimmer schlafen, aber es klappt mit dem Versprechen, dass wir um 07.00 alle verschwunden sind. So fallend wir friedlich in unsere Betten..

 

08. November 2011, 06.30 Uhr: Kurz vor unserem Wecker hämmert es an die Tür. Wir sind vollständig verwirrt, unausgeschlafen und nicht gerade schnell in unseren Reaktionen und Gedanken. Auf einen wütenden Hotelbesitzer gefasst schaffen wir es doch irgendwann die Tür zu öffnen. Ein Mann mit Strumpfmaske hält sein Gewehr begrüßend in den offenen Türrahmen. Begleitet wird er von etwa 7 Uniformierten, die unser Zimmer umstellt haben. Fassungslosigkeit und absolute Verwirrung machen sich breit. Unser freundlicher Besuch stellt sich als Vertreter von „Interpol“ vor und bittet uns unsere Pässe vorzulegen.

Selbstbewusst geben wir ihm unsere Kopien, da unsere Originale noch bei der Botschaft in La Paz sind und man die generell eher nicht überall mit sich hinnimmt. Doch das gefällt dem Leiter der ganze Truppe (ein kleiner, stämmiger Bolivianer mit aggressivem Schnauzer) leider überhaupt nicht. Für ihn ist die Sache mit der Botschaft auch kein Argument. Ehe wir uns versehen werden wir ernsthaft abgeführt. Aus dem Bett unter bewaffneter Beaufsichtigung aus dem Zimmer und dem Hostel. Julia kommt aus ihrem Zimmer auch dazu. Auf gar keinen Fall begreifen wir, was da passiert. Immerhin dürfen wir noch eine Flasche Wasser kaufen (das ist für lange Zeit die letzte). Die Interpolkarawane, aus  vier Jeeps bestehend, schlängelt sich unter der schon brennenden Sonne durch die Straßen und hält immer wieder vor einigen Hotels, wie dem unserem.

Wir warten wirklich lange und immer wieder werden ähnlich verstörte und fragwürdige Gestalten abgeführt und zu uns auf die Ladefläche verfrachtet. Um die Szenerie noch abstruser zu machen tauchen neben unserem Fahrzeug immer wieder Paparazis auf, die uns sowohl fotografieren, als auch filmen. Inzwischen ist Daniel, der am vorigen Abend früher nach Hause ist und somit aus dem ganzen Schlamassel war, informiert und erhält auch schon die Bestätigung von einer bolivianischen Bekannten, dass unsere Verhaftung im Fernsehen zu sehen ist. Welch ein erfolgreicher Morgen!

Ab diesem Zeitpunkt wird die Geschichte leider nicht mehr so spannend. Wir werden zuerst in das Interpol Hauptgebäude gebracht, wo wir ca 3 Stunden sitzen und warten. Unsere Vorstellung, dass nach einem kurzen Telefonat mit der deutschen Botschaft (wir geben sogar die Telefonnummer unserer Sachbearbeiterin weiter) alles in Ordnung ist, löst sich nach und nach auf. Desillusioniert und inzwischen merkbar mitgenommen von den Nachwirkungen des Vorabends werden wir wieder aus dem Gebäude hinausgeführt und auf die Fahrzeuge verteilt. Wir freuen uns, dass es vorbei ist und wir wieder zurück ins Hotel kommen. Fehlanzeige. Es geht ans andere Ende der Stadt zur Migración, wo wir unter strenger Bewachung der Interpolleute in einen separaten Flur geführt werden und wieder wartend auf dem Boden Platz nehmen. Eva, Julia und ich sind die ersten die aufgerufen und nach unten in ein kleines Büro gebracht werden. Wir warten weiter und erzählen unsere Geschichte zum 10.000sten mal und kriegen abschließend von dem überraschend jungen Sachbearbeiter einen Zettel in die Hand gedrückt, der besagt, dass wir uns innerhalb von 14 Tagen in der Migración in Cochabamba ausweisen müssen. Herzlichen Danke dafür. Mittlerweile ist es 13.00, wir sind alle fertig und die Jungs warten immer noch. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen fahren wir Mädels zurück in unser Hostel, um die Rucksäcke zu packen und an den Terminal zu bringen. Wir treffen uns wieder zum Mittagessen/Frühstück und finden einen Tisch mit unseren schlafenden Gefährten vor. Die „Reichenstraße“ von Santa Cruz überwältigt mich völlig. Man könnte wirklich denken, man sei in einer europäischen Großstadt gelandet und es ist ganz und gar nicht so urbolivianisch wie in CBBA. Fertig mit unserer Welt beschließen wir ins Kino zu gehen und noch etwas zu faulenzen, bis um 20.30 schließlich unser Nachtbus nach CBBA fährt. Nach dem Film führe ich wohl eins der bisher seltsamsten Telefonate: „Hallo Schwester Verena, hier ist die Corinna. Ich wollte Ihnen nur bescheid sagen, dass wir nochmal später kommen, weil wir heute früh von Interpol verhaftet wurden.“ Doch ihre Antwort, dass „man eben für genau solche Sachen in Bolivien sei“ bringt uns alle zum schmunzeln.

Vor dem Kinokomplex ist ein großes Schwimmbecken mit riesigen, aufblas- und begehbaren Wasserbällen aufgebaut, in dem wir uns noch einmal richtig austoben bevor ein wahnsinniges Wochenende dann doch einmal zu Ende geht. Auf der Nachtfahrt nach Cocha lass ich mir noch einmal durch den Kopf gehen, was innerhalb von vier Tagen alles passiert ist.. unfassbar!

Stets guter Laune auch nach so einem Tag!

Stets guter Laune auch nach so einem Tag!

Um 07.00 morgens erreichen wir die Stadt und langsam zehrt es an den Kräften, weil ich im Bus kaum geschlafen habe. Wie immer suchen wir Cadeca auf und rufen bei der Botschaft an. Die Frage, wo genau unsere Pässe seien, kann unsere angeblich kompetente Sachbearbeiterin nicht beantworten, „Vielleicht noch hier oder schon in Cochabamba, aber übermogen sind sie bestimmt weg. Ich geh mal suchen, obwohl ich nicht genau weiß wo..“. WAS?! Da fühlt man sich sicher, denn auf die Botschaft ist Verlass. Auf unsere Bitte hin uns eine Bestätigung, dass unser Visum in Bearbeitung ist, und beglaubigte Kopien unserer Pässe zu schicken, erhalten wir sogar per Fax etwas. Nämlich 20 schwarze Seiten Papier, deren Kopierqualität so schlecht ist, dass man unsere Gesichter nicht mal unterscheiden kann. Perfekt ausgerüstet mit diesen Unterlagen machen wir uns auf zur Migración. Wir treffen in einem schrecklich überfüllten Büro auf einen freundlichen Bearbeiter, der keinerlei Verständnis für unser Dokument von Interpol hat. Den Passkopien der Botschaft schenkt er nur ein müdes Lächeln. Nachdem er das Zertifikat der Botschaft kopiert hat, heftet er alles zusammen und legt ad acta. Nach 10 Minuten: „Listo. Eso es.“. Welch eine Aktion und Aufwand für absolut nichts.

Am Nachmittag erfahren wir aus der Zeitung „El Deber“, dass die Polizeiaktion in Santa Cruz sich hauptsächlich gegen illegale Einwanderer gerichtet hat und teilweise sogar erfolgreich war.

Hier der Zeitungsartikel, jedoch nicht mit Bild von unserem sondern vom Nachbarjeep!

Nach einigen Telefonaten mit der Botschaft kriegen wir schließlich raus, dass zumindest die Pässe von Julia und mir bald in der Stadt beim Honorarkonsulat abzuholen seien, doch Davids leider nicht, da die Passbilder auf mysteriöse Weise verschwunden sind.. Also noch ein Anruf bei der Schwester, dass wir auf unsere Dokumente warten.

Am nächsten Tag komme ich vor den anderen beim Honorarkonsulat an und gehe auf gut Glück einfach mal nach oben. Ich treffe auf eine korpulente Sachbearbeiterin mit einer witzigen Mischung aus Deutsch und Spanisch. Auf einer Liste in dem Papierchaos auf ihrem Schreibtisch findet sie tatsächlich unsere Namen. Sie fängt an wahllos verschiedene Briefumschläge zu öffnen und unsere Pässe zu suchen. Ich biete ihr meine Hilfe bei der Suche an, worauf sie einen ganzen Karton gefüllt mit deutschen Reisepässen vor mir auf den Tisch schüttet. Schließlich „müssen sie ja irgendwo sein..“. Meine Frage nach einem System oder einer Ordnung der Pässe (beispielsweise alphabetisch..?) wird mit einem entgeisterten Kopfschütteln beantwortet. Doch irgendwann finden wir tatsächlich die Pässe. Dass ich Julias einfach auch mitnehme ist überhaupt kein Problem..

Als wir am Freitag früh in der Flotta nach Independencia sitzen, können wir es selbst kaum glauben, dass wir wirklich alles so schnell in CBBA erledigt haben. In der Flotta treffen wir auf einen weiteren Deutschen, der das Centro besuchen will. Dominik, der ein Auslandssemester seines Theologiestudiums in Cochabamba absolviert, begleitet uns für das nächste Wochenende. Mit ihm, Elisa und Agnes (die mittlerweile auch mal wieder im Dorf sind) wandern wir ein wenig durch die nähere Umgebung und statten der Dorfkaraoke mal wieder einen mehr oder weniger erfolgreichen Besuch ab..

Der restliche November dreht sich vollständig um das Schuljahrsende. Am 02.12. beginnen die großen Sommerferien (ca bis Anfang Februar) und vorher stehen für die Kinder des Kindergartens und die fertigen Gymnasiasten eine „Pronunción“ an. Das ist so ähnlich wie in Deutschland die Abifeier, aber wirklich nur ähnlich..

In die Pronunción des Kindergartens sind wir fest integriert. Wir machen die Einladungen, Programmhefte, studieren mit den Kindern die Tänze und Gesänge ein und richten auch die Schule von José Miguel Lanza für den Abend her.

 

Die Mamis helfen fleissig mit

Die Mamis helfen fleissig mit

Die grosse "Buehne" der Pronunción

Die grosse "Buehne" der Pronunción

 

 

 

 

Die lang erwartete Auffuehrung der "Bailazos"

Die lang erwartete Auffuehrung der "Bailazos"

 

Ein kleiner Clown

Ein kleiner Clown

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Klassische amerikanische Uniform und allgemeines Lachverbot auf Fotos

Klassische amerikanische Uniform und allgemeines Lachverbot auf Fotos

 

 

 

Die Veranstaltung wird von überraschend vielen besucht, es gibt ein paar wenige kurze Worte und sie klingt gegen 21.00 abends aus. Noch schnell aufgeräumt und das wars das mit dem Kindergarten für dieses Jahr. Etwas schade ist es schon..

 

Nur zwei Tage später wird das Ganze für den Abschluss des Colegios wiederholt. Im Grunde läuft es sehr ähnlich ab, wie in Deutschland. Es gibt mehrere (zu lange) Reden und dann werden die Schüler nach und nach aufgerufen und ihnen wird das Zeugnis auf der Bühne überreicht. Die besten erhalten besondere Auszeichnungen und Lob des Direktors oder von Schwester Verena.

Der Abend weist dann aber doch schon gravierende Unterschiede zu einer deutschen Abiturfeier auf. Die Hochschulabsolventen feiern nicht zusammen in einer Lokalität, sondern jeder feiert allein für sich bei und mit seiner Familie. Im ganzen Dorf wird in den Häusern und Höfen gegrillt und gefeiert. Sofort werden wir eingeladen und nehmen in einem Hof mit überraschend gigantischen Boxentürmen Platz, die eigentlich das komplette Dorf beschallen. Man verbringt den Abend indem man von Haus zu Haus zieht und jedem Abiturienten einzeln gratuliert. Die Hauptpersonen des Abends wirken nicht immer ganz glücklich. Vielleicht würden sie auch lieber mit ihren Freunden feiern, als still und brav neben Mama und Papa zu sitzen, um sich einen Abend lang die Hände schütteln zu lassen. Vielleicht verstehen auch nur wir nicht, dass das hier ein Familienfest ist, weil es bei uns eben nicht so ist..
David und mir fällt jedoch auf, dass es vom Fest her keinerlei Unterschied macht, ob man nun sein „Abitur“ oder den Kindergarten erfolgreich abgeschlossen hat und das finden wir schon etwas unfair..

Nach den Pronuncionen wird es richtig ruhig im Dorf. Die meisten Schüler fahren nach Hause – auch vor dem offiziellen Schulende, der „clausura“ – und manche verschwinden so plötzlich von der Bildfläche, dass sie nicht mal ihre Ergebnisse abwarten und somit ihre Chance auf die Nachprüfung versäumen. Die Nachprüfungen sind jedes Jahr möglich und man kann es in bis zu 3 Fächern noch einmal versuchen.

Dieser Abschluss des Schuljahrs ist so chaotisch, dass man es kaum glauben kann. Ein Lehrer fährt einfach weg, bevor er seine Noten abgegeben hat, der Nächste unterschreibt nichts und es fehlen plötzlich 20 Zeugnisse. Nebenbei müssen die Schüler im Zaum gehalten werden, dass sie nicht abreisen bevor sie nicht zu 100% das Jahr bestanden haben. Da ist wirklich bolivianische Organisation wie sie leibt und lebt zu bewundern gewesen..

Des Weiteren besuche ich noch alleine eine Clausura einer Landschule auf dem Campo. Mit der Direktorin der Nachmittagsschule und noch zwei weiteren Lehrkräften reise ich nach „Manzanani“, nur 45 Minuten von Independencia aus mit dem Jeep. In strömenden Regen erreichen wir das „Dorf“, das eher einer willkürlichen Ansammlung von vielleicht 10 Lehmhüttchen (nicht einmal mit Wellblech-, sondern noch mit Strohdach!) entspricht. Die Schule besteht aus einem Raum, in dem eine Lehrkraft gleichzeitig Kindergarten, 1. und 3. Klasse unterrichtet. Die 2. Klasse gibt es nicht, da es nur ein Mädchen dafür gäbe und die wartet dann eben noch ein Jahr auf die anderen.. Draußen im Regen wird selbstverständlich erstmal die Nationalhymne gesungen und dann noch einige gut eingeübte Lieder. Danach müssen die Kinder „vorarbeiten“. Sie kriegen Arbeitsblätter und müssen zeigen, was sie wie gut können. Allmählich versammeln sich die Eltern mit im Zimmer (somit ist das gesamte Dorf anwesend) und sehen zu. Darauf folgt ein „Vorlesen und -schreiben“ an der Tafel von jedem einzelnen Schüler. Auch dort gibt es eine Ausstellung und danach noch etwas zu essen. Nach über zwei Stunden warten in der Kälte auf unser Fahrzeug laufen wir dann doch im Regen nach Hause.

Bei gehisster Flagge gibts die Nationalhymne

Bei gehisster Flagge gibts die Nationalhymne

Die ganze Schule bestehend aus nur einem Raum

Die ganze Schule bestehend aus nur einem Raum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Festessen vor der Handarbeitsausstellung

Festessen vor der Handarbeitsausstellung

So geht der November im kinderleeren Internat zu ruhig zu Ende. Vormittags bin ich damit beschäftigt neue Schulbücher einzubinden, die Bücher im Centro zu sortieren und soweit wie möglich zu reparieren. Nachmittags haben wir alle die ganze Zeit abwechselnd „presente“, den Telefon- und Aufpassdienst.

Ursprünglich war es geplant, dass ich ab Anfang Dezember den Gesundheitsposten in Queraya für 3 Wochen besuche und dort arbeite. Jedoch ist die dortige Krankenschwester bis auf weiteres in die Stadt gereist ohne das Datum ihrer Rückkehr zu nennen. Und so sitze ich hier und warte darauf bis es los geht. Doch genau „dafür sind wir eben in Bolivien“, wie Schwester Verena zu sagen pflegt..[:]

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